Landesarbeitsgericht Nürnberg – Az.: 5 Sa 117/20 – Urteil vom 08.10.2020
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Würzburg – Kammer Aschaffenburg – vom 28.01.2020 – Az.: 2 Ca 1068/19 – abgeändert.
2. Die Klage wird abgewiesen.
3. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Durchführung des Betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM).
Der Kläger ist bei der beklagten Gemeinde seit 03.07.2000 als Arbeiter beschäftigt. Bis Oktober 2015 wurde er auf dem Bauhof eingesetzt. Zuletzt war er auf dem von der Beklagten unterhaltenen Eigenbetrieb Campingplatz und K… Seenbäder tätig. Seine Bruttomonatsvergütung beträgt derzeit 2.907,26 Euro brutto. Bei einem festgestellten Grad der Behinderung von 30 ist der Kläger einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt.
Im Jahr 2018 war der Kläger an insgesamt 122 Tagen arbeitsunfähig erkrankt, in der Zeit vom 01.01.2019 bis 25.08.2019 an 86 Tagen. Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 02.08.2019 ließ der Kläger die Durchführung eines BEM beantragen. Dieser Antrag wurde seitens des Bürgermeisters der Beklagten mit Schreiben vom 19.08.2019 abgelehnt. Der Kläger erhob mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 23.09.2019 Klage beim Arbeitsgericht.
Der Kläger vertritt die Auffassung, er habe gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Durchführung des BEM gemäß § 167 Abs. 2 SGB IX. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift seien ohne weiteres gegeben. Selbst wenn man davon ausgehen solle, dass es sich bei den dort geregelten Verpflichtungen des Arbeitgebers um öffentlich-rechtliche Pflichten handele, stellten diese gleichwohl echte Rechtspflichten dar, die jedenfalls im Rahmen vertraglicher Nebenpflichten durch den Arbeitgeber und vorliegend durch die Beklagte zu berücksichtigen seien. Auch in der Vergangenheit habe die Beklagte den Anspruch auf Durchführung eines BEM nicht erfüllt. Seiner Versetzung in den Eigenbetrieb Seenbäder und Campingplatz sei kein BEM vorausgegangen. Den Anspruch auf Durchführung eines BEM könne die Beklagte nicht dadurch umgehen, indem sie ins Blaue hinein behaupte, seine Erkrankung stünden in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit den zugewiesenen Tätigkeiten. Es sei befremdlich, wenn die Beklagte die Durchführung des BEM für eine sinnlose Förmelei halte, obwohl sie im Falle des Klägers zu keinem Zeitpunkt ein derartiges Verfahren durchgeführt hab[…]