Verletzung des rechtlichen Gehörs – Verteidigungsvorbringen nicht zur Kenntnis genommen
OLG Stuttgart – Az.: 6 Rb 34 Ss 577/20 – Beschluss vom 27.08.2020
Der 6. Senat für Bußgeldsachen hat in der Besetzung nach § 80a Abs. 1 OWiG am 27. August 2020 beschlossen:
1. Die Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Stuttgart vom 8. Mai 2020 wird zugelassen.
2. Das Urteil des Amtsgerichts Stuttgart vom 8. Mai 2020 wird aufgehoben.
3. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Amtsgericht Stuttgart zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Gegen den Betroffenen war wegen einer Ordnungswidrigkeit des Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 26 km/h durch Bußgeldbescheid der Stadt Stuttgart vom 7. Januar 2020 eine Geldbuße von 95 Euro festgesetzt worden. Seinen hiergegen gerichteten Einspruch hat das Amtsgericht Stuttgart durch Urteil vom 8. Mai 2020 gemäß S 74 Abs. 2 OWiG ohne Verhandlung zur Sache verworfen. Zuvor hatte es den Betroffenen durch Beschluss vom 29. April 2020 antragsgemäß von der Verpflichtung des persönlichen Erscheinens im Hauptverhandlungstermin vom 8. Mai 2020 entbunden.
Il.
Der Betroffene beantragt mit Verteidigerschriftsatz vom 19. Mai 2020 die Zulassung der Rechtsbeschwerde; er rügt die Verletzung rechtlichen Gehörs, da das Amtsgericht kein Sachurteil gefällt und deshalb seinen Vortrag im Schriftsatz vom 7. Mai 2020 unberücksichtigt gelassen habe. Darin hatte der Verteidiger unter Beifügung von Nachweisen vorgetragen, der Betroffene habe sich freiwillig und auf eigene Kosten zu einem Fahreignungsseminar angemeldet, welches wegen der Corona-Pandemie erst in den Kalenderwochen 20 und 21 stattfinden könne. Er bitte um wohlwollende Prüfung, ob angesichts des positiven Nachtatverhaltens des Betroffenen eine Reduzierung der Geldbuße möglich sei. Sofern keine höhere Geldbuße als 55 Euro verhängt werde, sei man mit einer Entscheidung im Beschlussverfahren einverstanden. Darüber hinaus hatte der Verteidiger „aus Kostengründen“ sein Nichterscheinen in der Hauptverhandlung angekündigt. Das Amtsgericht führte in den Gründen seines Verwerfungsurteils dazu aus, dass die Ausführungen im Schriftsatz vom 7. Mai 2020 eine Herabsetzung der Geldbuße auf 55 Euro nicht tragen würden, allenfalls wäre eine Herabsetzung auf den nicht erhöhten Regelsatz in Betracht gekommen.
Das zulässige Rechtsmittel hat mit der Gehörsrüge vorläufigen Erfolg. Die Generalstaa[…]